Freitag, 20. Juni 2008

Deutschland, 21. Jahrhundert

Ich hatte am Mittwoch, den 18. 06. die Gelegenheit dem Mittagessen in der Grundschule meiner Tochter, Berlin-Prenzlauer Berg, beizuwohnen.
Dabei fiel mir auf, dass von ca. 36 anwesenden Kindern im Essenraum nur 6 Kinder Getränke auf dem Tisch hatten.

Ich fragte die vier Mädchen am Tisch meiner Tochter, ob sie denn nichts tränken, beim Essen.
Die einhellige Antwort:
"Aus diesen ekligen und alten Bechern kann man nicht trinken! Die sind vergammelt und schlecht gespült!
Wenn wir daran denken, nehmen wir unsere eigenen Trinkflaschen mit. Außerdem gibt es manchmal superekliges, süßes Zeug zu trinken."
Sie hätten ihrer Klassenlehrerin das schon lange mal gesagt, aber die meinte, es sei kein Geld für Ersatz da.

Aha.

Die vier Mädchen am Nachbartisch, ebenfalls 4.Klasse, gaben mir die gleiche Antwort und holten mir bereitwillig den "ekligsten" Becher, der sich jetzt als Ansichtsexemplar bei mir befindet: Ein hellgelber Plasikbecher, mit scharfkantigem Rand, der aussieht wie ein Zahnputzbecher, der die 70er Jahre überdauert hat.

Ich war ehrlich schockiert. Drei Erzieherinnen wuselten durch den Raum und sorgten für Ordnung. Dass die Kinder kaum etwas tranken, fiel offensichtlich keiner auf.
Ich pflichtete den Mädchen bei und ermutigte sie, bei ihrer Wahrnehmung zu bleiben.

Ich schlug Ihnen vor, einen Brief an die Schulleitung zu schreiben und um Abhilfe zu bitten. Das fanden sie eine neue und interessante Idee. Ein Mädchen meinte, "Ach, die sagen dann ja nur, Ihr seid ja doch nur dumme Schüler!"
Ich fand es sehr traurig, wie wenig Vertrauen diese jüngsten aller Demokraten in ihre Einflussmöglichkeiten haben und wie die Resignation bereits Einzug gehalten hat.

Ich versprach den Mädchen, das Thema an die GesamtElternVertretung heranzutragen, in der Hoffnung, dass schnell und unbürokratisch Abhilfe geschaffen werden kann.
Draußen stand dann noch eine befreundete Mutter, die auf meinen Bericht hin meinte, sowas müsse doch gemeldet werden!! Dann setzte sie nach, dass es in anderen Schulen im Prenzlauer Berg aber noch viel Schlimmeres gäbe und wir wirklich an einer guten Schule wären.
Worauf hin ich nur bemerken konnte, dass es den Kindern in Afrika sicher ja auch noch schlimmer ginge.

Die Schulleiterin ist über den Becherskandal bereits informiert, denn sie kam gerade in den Essenraum und die Mädchen drängten darauf, dass ich sie gleich anspreche. Ich berichtete ihr von dem Ergebnis meiner nicht repräsentativen Umfrage, bei der 8 von 8 Mädchen die gleiche vernichtende Antwort zu den Bechern gegeben hatten. Sie war im Moment sichtlich überrascht und meinte, sie müsse die Becher erst mal selbst prüfen.

In einer guten Demokratie, wie wir eine sind, wird jetzt wohl erstmal eine Becherprüfungskommission eingesetzt. Das wäre eine der besseren möglichen Varianten.
Ich bin gespannt, wie die Prüfung ausfällt.

Prost!