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Beilage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 11. Mai 2025
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Und dazu ein wenig Geschichte:
2008 erschien Julia Friedrichs, Gestatten: Elite. Im Mai des selben Jahres erblickte dieser Blog das Licht der Welt:
VON ERLACH
Wir leben in restaurativen Zeiten hier in Deutschland.
Seit ich 2004
aus Kalifornien wieder nach Deutschland übersiedelt bin, wo ich sogar
meinen Bankberater und meine Ärztin mit Vornamen angesprochen habe und
sie mich liebevoll 'Honey' oder 'Sweetheart' nannten, springen mir die
VONs in allen Zeitungen und Zeitschriften entgegen. Immer mit viel
Bedeutung und Wichtigkeit gepaart.
Vorallem wenn es um das Berliner
Gesellschaftsleben geht, über welches ja neuerdings in jeder Zeitschrift
im Flugzeug zu lesen steht, hat das 'von' wieder Hochkonjunktur.
Aber auch bei viel alltäglicheren Dingen drängt das kleine Wort nach vorne, will gehört und gelesen werden.
Neulich war ich bei meinem Zahnarzt in Moabit, dem ich schon 20 Jahre die Treue halte.
Mit mir im Wartezimmer saß ein gut gekleideter junger Herr im dunklen Anzug mit Hornbrille, die FAZ studierend.
Ich war beschäftigt mit meiner Versichertenkarte und mit meiner Angst vor der Behandlung.
Die Sprechstundenhilfe näherte sich und rief in den Raum: "Freiherr von L....... !"
Das
riß mich aus meiner Beschäftigung mit mir selbst auf banalsten
körperlichen Ebenen und gleichzeitig reagierte ich auf eben diesen...
Meine Zähne sind noch fest, sonst wäre mir sicher in diesem Moment die
Prothese aus dem Mund gefallen.
So fiel mir anstatt dessen die Kinnlade runter und ich schaute entgeistert dem Freiherrn direkt in die Augen.
Dieser
faltete seine Zeitung, erhob sich und schritt maßvoll 'gen
Behandlungszimmer, um sich vermutlich eine Goldkrone anpassen zu lassen.
Für den Rest des Tages, ja der Woche, litt ich unter Kopfschmerzen und Schlafstörungen.
Spätestens
mit diesem Ereignis wurde mir immer deutlicher: Auch für mich ist es an
der Zeit, meinem 'von' nachzuspüren, das mir so lange aus der
Biographie gerutscht war.
Ich bekenne hiermit: Ich bin eine von
Erlach! Ich hatte es vergessen, verdrängt, sträflich vernachlässigt,
hatte mich mit meinem bürgerlichen Namen zufrieden gegeben.
Das soll
ab heute anders sein! Ich fühle mich verpflichtet, von Gottes Gnaden.
Und Gottes Gnade helfe mir, daß mein 'von' auch mir zu Ruhm und Ehre
gereiche!