Die Marienburger Straße im Prenzlauer Berg ist für mich seit längerem eine Art Brennglas der "Ich sehe nur mich" - Gesellschaft. Und da meine ich nicht die vermehrt auf- und abfahrenden Ferrari- Maserati- und Lamborghini-Fahrer, die ja eh dafür bekannt sind und deren Karossen man immerhin bestaunt (und im Stadtgebiet lassen die einen eigentlich in Ruhe - da gibt es aus meiner Erfahrung eher die Autobahnnervereien)
Versuchen Sie mal während der rush hour werktags zwischen 16 und 18 Uhr als Fußgänger unbedrängt und unbeschadet dort langzulaufen.
Wenn Sie es schaffen, dann kontaktieren Sie mich. Ich lade Sie zum Kaffee ein.
Es sind - das ist die allerschlimmste Spezies, die mir da auf dem Gehweg begegnet - Mütter mit riesigen Hollandrädern, ausladenden Lenkern und Kindersitz hintendrauf, die sich in völliger Selbstgerechtigkeit zwischen den Fußgängergruppen, wie mit einer Fregatte, schwer in die Pedale tretend, vorzugweise an den engsten Stellen des Gehwegs vorbeidrängen und dabei selbstverständlich - ! - in ihr Smartphone flöten. Da können die ja nicht sehen, ob sie jemanden aus dem Weg drängen. Das müssen wir schon verstehen.
Und dann - das ist die Steigerung - gibt es die - meistens auch Mütter, seltener Väter (das liegt vermutlich an der Rollenverteilung der Kinderabholerei) - die dazu noch ein bis zwei Gören neben und vor sich fahren haben, im Vollspeed (später soll der Filius sicher mal Ferrari fahren).
Klar gibt es dann auch noch die ewigen helmtragenden jungen Männer, die mit stechendem Blick an mir vorbeirasen.
Und dann - zunehmend - die älteren helmtragenden Damen - gleichermaßen rücksichtslos.
Alle finden es selbstverständlich sich in ihrer Illegalität auf dem Fußgängerweg ihr Recht durch puren Speed zu nehmen. Sie haben sich schon so eingerichtet, dass sie gar nicht mehr wissen, dass sie da eigentlich nicht hingehören.
Und eigentlich gleicht der ganze Gehweg um diese Zeit einem survival of the rudest.
Warum mich das aufregt?
Weil ich oft versuche, da langzugehen und es einem kraftraubenden Nahkampf gleicht.
Weil es wenig mit Fluss zu tun hat, wie ich das aus anderen urbanen Welten kenne, in denen noch viel mehr Menschen gleichzeitig die Gehweg benutzen. Da macht es Freude, mitzuschwimmen.
Schon auch - und da komme ich mir ein wenig seltsam vor, das so zu schreiben - weil ich anders erzogen bin und meine Kinder anders erzogen habe. Rücksicht war und ist ein wichtiges Wort für mich geblieben (nicht, dass wir nicht auch auf dem Gehweg fahren - das geht ja bei diesem Kopfsteinpflaster hier gar nicht anders, aber wir nieten nicht jeden um).
Es stimmt, wahrscheinlich sind es immer noch die gleichen berühmten, oft beschriebenen Kinderwagen-Mütter, die nun mit ihren Kindern älter geworden sind. Sie sind gleich mühsam geblieben für die städtische Gesellschaft. Es ist eine gruselige Vorstellung, dass die mit mir hier altern.