Vorgestern im Vorübergehen:
Ein kleines Mädchen, festgeschnallt in seinem Fahrradsitz, kippt mit dem Fahrrad seiner Mutter um und knallt mit dem Kopf gegen ein parkendes Auto.
Ich sah den Fall und spürte den Aufprall, bevor er passierte, bevor die Mutter es bemerken konnte.
Ich spürte den Schock des Momentes, den den Mutter, den des Mädchens, meinen eigenen, den meines Mannes, an dessen Seite ich ging.
Stille und Lähmung für einen Moment.
Dann weinte das Mädchen, sein Schmerz wurde laut. Die Mutter spendete Trost, nahm ihr Kind in den Arm.
Ich stellte das Fahrrad der Mutter auf, wünschte innerlich alles Gute und ging mit meinem Mann meiner Wege. Der Schock blieb noch eine Weile in unseren Körpern, wich dann einer Zuversicht, dass die Mutter hoffentlich alles richtet und das Schicksal Schlimmeres verhütet hat.
Gestern, bei Warten auf die Straßenbahn:
Am Hackeschen Markt wird ein großes Haus gebaut. Ber strahlendem Sonnenschein löst sich plötzlich ein Stahlträger vom schwebenden Stahlseil des Krans und erschlägt beinahe einen Bauarbeiter. Ein kurzer, stumpfer, erschrockener Ruf geht nach oben zum Kranhelfer.
Wir Wartenden stehen im Schock, wissen, beinahe wäre ein Leben aus der Welt gegangen, mitten in diesem wunderbaren Frühlingstag.
Der Mann steht auf, er scheint äußerlich unverletzt. Die anderen Arbeiter klopfen ihm auf die Schultern, nehmen die Arbeit wieder auf.
Wir, die wir Unfallzeugen waren, bleiben stehen, beobachten in Sorge das Geschehen, versichern uns einander mit Blicken, die Lähmung des Schocks ins Gesicht geschrieben.
Dort oben auf der Baustelle: Der Mann weint nicht, es gibt keinerlei Anzeichen für den Unfall, die Bauarbeiten gehen weiter.
Kein Trost, kein Innehalten. War was?
Ich steige in die Straßenbahn, noch lange sitzt der Schock in meinem Körper.
Ich nehme die Tränen des Bauarbeiters mit nach Hause. Beinahe wäre ein Menschenleben ausgelöscht worden, vor meinen Augen, an einem strahlenden Frühlingstag.